Krebs durch Vergiftung mit Schadstoffen
Seit Jahrzehnten wogt der Streit darüber, ob Krebs durch eine „Vergiftung“ ausgelöst sein könnte, das heißt durch eine im Laufe des Lebens zunehmende Akkumulation von schädlichen Substanzen im Organismus, was unter anderem auch erklären könnte, warum nach dem 65. Lebensjahr die Kurve der Krebserkrankungen steil ansteigt.
Diese von den naturheilkundlichen Ärzten behauptete Wirkung von Schadstoffen wurde von der Schulmedizin im wesentlichen - sieht man von Krebs durch Rauchen z.B, oder Asbest - bisher immer sehr entschieden zurückgewiesen und statt dessen als Erklärung für die Zunahme von Krebs mit zunehmendem Alter gerne auf genetische Fehlsteuerungen hingewiesen, die sich im Laufe des Lebens immer mehr aufsummieren.
Insofern kann es als Sensation angesehen werden, dass John Blenis vom Meyer Cancer Center, Weill Cornell Medicine, New York, NY, USA, einer der bekanntesten Onkologen der USA, sich in einer im August veröffentlichten Studie der naturheilkundlichen Auffassung der Krebsentstehung nähert, indem er die bei einem Mangel an Vitamin B12 vermehrt auftretende Methylmalonsäure als Verursacher für Krebswachstum identifiziert:
Ana P Gomes et al: Age-induced accumulation of methylmalonic acid promotes tumour progression. Nature . 2020 Aug 19. doi: 10.1038/s41586-020-2630-0. Online ahead of print
Hier scheint es also durch einen Schadstoffanstieg (Methylmalonsäure) - aufgrund eines Vitamin B12-Mangels zu einem Krebswachstum zu kommen.
Die Methylmalonsäure (MMS) gehört zu den Dicarbonsäuren. (Bitte nicht verwechseln mit MMS (Miracle Mineral Supplements oder Miracle Mineral Solution) von Jim Humble!)
Sie steigt bekanntlich im Blutplama an, sobald sich die körpereigenen Speicher von Vitamin B12 leeren. Eine Messung des MMS-Spiegels ist also ein starker Hinweis auf einen Vitamin-B12-Mangel. Dieser Mangel kann bereits vor dem Sichtbarwerden klinischer Symptome vorliegen. Übrigens kann auch ein erhöhter Homocystein-Spiegel als Funktionsparameter ein Hinweis auf einen Vitamin-B12-Mangel darstellen. Allerdings kann ein erhöhter Homocystein-Spiegel auch bei Folsäuremangel oder bei einem Mangel an Vitamin B6 (Pyridoxin) auftreten und ist daher weniger spezifisch als MMS.
Die Wissenschaftler untersuchten Blutproben von 30 gesunden Menschen, die jünger als 30 Jahre waren und verglichen diese mit 30 Blutproben von gesunden Versuchspersonen über 60 Jahre. Das Serum aus diesen Blutproben gaben sie zu menschlichen Zellkulturen: Diejenigen Zellkulturen, die mit dem Serum der jungen Blutspender zusammengebracht wurden, wuchsen normal weiter, wohingegen die Zellkulturen durch das Blut der Älteren anfing, unkontrolliert in alle Richtungen zu wuchern.
Es ergab sich, dass im Blut der Älteren etwa 50 Mal mehr MMS enthalten war, als im Blut der jüngeren Blutspender. Durch das Blut der Älteren und dem höheren Gehalt an MMS wurden in den Zellen mehr als 400 Gene stärker abgelesen, darunter auch der Transkriptionsfaktor SOX4. SOX4 codiert einen Transkriptionsfaktor, der das Ablesen zahlreicher Gene aktiviert, die krebsfördernd wirken. Wurde das SOX4-Gen blockiert, konnte MMS den Zellen nichts mehr anhaben.
Vitamin B12-Mangel und MMS
Diese Forschungen zu MMS werfen nebenbei auch die Frage auf, ob die von der Europäischen Gesetzgebung bzw. von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA (European Food Safety Agency) vorgesehene Tageshöchstdosis an Vitamin B12 mit 4 Mikrogramm nicht womöglich viel zu gering angesetzt ist. Diese geringen Werte könnten auch zu einem B12-Mangel führen mit einer folgenschweren Erhöhung an MMS und in der Folge davon womöglich zu einer enormen Dunkelziffer an Krebserkrankungen.
Auf jeden Fall erscheint es unverständlich, dass für eine B12-Supplementierung die Höchstwerte so gering angesetzt werden, auch wenn andererseits eine zu hohe Supplementierung mit mehr als 55 Mikrogramm B12 täglich im HInblick auf das Risiko einer Krebsentstehung ebenfalls nicht unproblematisch ist. Wie man sieht, kann man also auch hier von beiden Seizten "vom Pferd fallen".
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